Mit dem Solarpaket I wurde 2024 eine neue Form der Lieferung von Solarstrom geschaffen: die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung. Hierbei entfallen viele rechtliche Pflichten, die zu erfüllen sind, wenn Verbraucher mit Strom beliefert werden. Wie sich die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung von Mieterstrom abgrenzt und wann sie sich lohnt, erläutert dieser Artikel.

Mehrfamilienhäuser bieten im Grunde gute Bedingungen für Photovoltaikanlagen: Große Dachflächen, ein in Summe hoher Strombedarf im Haus und vermutlich keine Verschattung durch Bäume, wenn das Gebäude höher als diese ist. Das führt zu niedrigen Installationskosten pro Kilowatt Leistung, einer hohen Verbrauchsquote von Solarstrom im Haus und zu stabilen Erträgen. Im Vergleich mit Gewerbebauten und Ein- und Zweifamilienhäusern gibt es aber bis heute nur wenige PV-Anlagen auf Mehrfamilienhäusern.
Das liegt an komplexen rechtlichen Regelungen, die einzuhalten sind, wenn der Betreiber der PV-Anlage eine andere Person ist als der Abnehmer und somit kein Eigenverbrauch des Solarstroms vorliegt sondern eine Stromlieferung. In Mehrfamilienhäusern ist das immer der Fall, wenn mehrere Parteien im Haus den Solarstrom vom Dach nutzen wollen: Selbst wenn sich die Bewohner zusammenschließen und den Strom gemeinsam erzeugen – sie verbrauchen den Strom nicht als Gemeinschaft, sondern jeder Haushalt für sich separat.
Rechtliche Vorgaben für Mieterstromkonzepte in Mehrfamilienhäusern
Damit der Ausbau von PV-Anlagen auf Mehrfamilienhäusern in Gang komme, führte der Gesetzgeber 2017 den Mieterstromzuschlag ein. Für den an Bewohner im Haus gelieferten Solarstrom vom Dach zahlt der Netzbetreiber – wie auch für den ins Netz geleiteten Strom – eine Vergütung. 2025 liegt sie bei 1,6 bis 2,5 Cent pro Kilowattstunde. Trotzdem blieb der Ausbau von Anlagen auf größeren Wohnhäusern hinter den Erwartungen zurück. Im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur sind Mitte 2025 rund 5.500 Mieterstromanlagen gemeldet mit 113 Megawatt Leistung. Insgesamt gibt es mehr als vier Millionen netzgekoppelte PV-Anlagen auf oder an Gebäuden mit knapp 70 Gigawatt Leistung.
Als Hemmnis werden seit Jahren die rechtlichen Vorgaben genannt, die bei Mieterstromanlagen eingehalten werden müssen. Die wichtigsten Punkte sind dabei:
- Der Betreiber der PV-Anlage muss sich als Stromlieferant bei der Bundesnetzagentur melden.
- Er muss eine Vollversorgung sicherstellen. Liefert die PV-Anlage keinen oder nicht genügend Strom, ist elektrische Energie über das Stromnetz zu beschaffen.
- Mit den zu versorgenden Haushalten ist jeweils ein Mieterstromvertrag zu schließen. Die Haushalte sind frei, sich dafür oder dagegen zu entscheiden. Einen geschlossenen Mieterstromvertrag können sie nach Ablauf von maximal zwei Jahren mit einer Frist von maximal 4 Wochen kündigen.
- Der Mieterstromvertrag beinhaltet die Preise für die Stromversorgung. Es ist ein Mischpreis zu kalkulieren, der sich aus den Kosten für Solarstrom und den über das öffentliche Stromnetz bezogenen Reststrom zusammensetzt. Der Preis muss mindestens 10 Prozent günstiger sein als der Strompreis in der Grundversorgung am jeweiligen Ort.
- Ändern sich die Beschaffungskosten für Reststrom und muss der Mieterstromlieferant seinen Mieterstrompreis anpassen, sind die Kunden darüber vorab zu infomieren und haben dann ein außerordentliches Kündigungsrecht.
- Mindestens einmal pro Jahr ist der Stromverbrauch abzurechnen. Die Rechnung muss die Informationen enthalten wie jede andere Stromrechnung bei Vollversorgung auch (etwa Aufschlüsselung der Kosten für Netzentgelt, Steuern, Umlagen, Energiemix, Vergleichsdaten zum Verbrauch anderer Haushalte).
Diese Pflichten zu erfüllen, schrecken Vermieter und Wohnungseigentümergemeinschaften. Bei der Umsetzung von Mieterstromprojekten helfen deswegen Dienstleister. Sie können das Dach pachten, dann die Anlagen errichten, betreiben und Mieterstrom liefern (Dachpachtmodell). Oder die Anlage vom Eigentümer pachten, betreiben und Strom liefern (Anlagenpachtmodell). Oder sie kümmern sich ausschließlich um die Vorschriften, die mit der Mieterstromlieferung verbunden sind (Lieferkettenmodell): die Ausfertigung der Verträge, die jährliche Abrechnung, den Reststromeinkauf und die Installation der notwendigen Messtechnik. Damit sich ein Projekt für alle Seiten lohnt, sollten die Gebäude groß sein – je mehr Wohnungen im Haus, desto günstiger lässt sich in der Regel Mieterstrom anbieten. 100 Wohnungen in Gebäudekomplexen oder Quartieren machen einige Dienstleister zur Voraussetzung für ihr Engagement. Kleinere Gebäude werden eher nicht bedient.
Neues Betreibermodell seit 2024: gemeinschaftliche Gebäudeversorgung
Um die administrativen Hürden zu senken und Mietern und Wohnungseigentümern auch in kleineren Mehrfamilienhäusern die direkte Nutzung von Solarstrom zu ermöglichen, führte der Gesetzgeber 2024 die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung (GGV) ein. Umsetzen lässt sich die GGV, wenn die PV-Anlage auf einem Gebäude installiert ist und der Strom im selben Gebäude genutzt wird. Es ist nicht erlaubt – im Gegensatz zu Mieterstromprojekten -, den Strom über ein Netz von einem Gebäude in ein anderes auf demselben Grundstück zu leiten. Vereinfacht wurden diese Punkte:
- Der Betreiber der PV-Anlage wird ebenfalls zum Stromlieferanten, muss sich in dieser Funktion aber nicht bei der Bundesnetzagentur melden.
- Der Betreiber der Gebäudestromanlage muss die Abnehmer im Haus nicht komplett mit Strom versorgen, sondern er liefert nur Solarstrom vom Dach. Die Abnehmer haben einen zweiten Stromvertrag für Reststrom, der über das öffentliche Netz kommt.
- Der Betreiber schließt mit den Abnehmern einen Gebäudestromnutzungsvertrag. Darin wird festgelegt, welchen Anteil des erzeugten Solarstroms jeder erhalten soll und was die Kilowattstunde kosten wird.
- Einmal im Jahr ist abzurechnen. Dabei entfällt ein Großteil der Vorschriften, die für andere Stromverträge gelten, einschließlich Mieterstromverträgen.
Haushalten steht es frei, einen Gebäudestromnutzungsvertrag zu schließen. Die maximalen Laufzeiten betragen ebenfalls zwei Jahre. Nach Ablauf darf sich ein Vertrag nur noch monatsweise verlängern und ist jederzeit mit einer Frist von vier Wochen kündbar. Preisanpassungen sollten eher selten notwendig sein, da nur die Kosten für Wartung, Versicherung, Messstellenbetrieb und gegebenenfalls Reparaturen an der Anlage variabel sind.
Diese Regelungen erlauben es Vermietern und WEGs, eine PV-Anlage auf dem Gebäude mit geringerem Aufwand selbst zu betreiben. Dienstleister bieten auch hier ihre Services an, aber die Abwicklung ist leichter ohne Dienstleister möglich als bei Mieterstromprojekten. Der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilieneigentümer und der Bundesverband Solarwirtschaft haben einen Leitfaden erstellt, der ein Muster für einen Gebäudestromnutzungsvertrag sowie eine Beschlussvorlage zur Abstimmung über die Errichtung einer PV-Anlage und der gemeinschaftlichen Solarstromnutzung in einer Versammlung von Wohnungseigentümern enthält.
Vorschriften zur Ausstattung mit Messtechnik
In einem weiteren Punkt unterscheidet sich die GGV von Mieterstromkonzepten: bei der vorgeschriebenen Messtechnik. Denn alle Haushalte, die Solarstrom vom Dach beziehen möchten, bekommen ein intelligentes Messsystem installiert. Das schreibt das Energiewirtschaftsgesetz vor. Die Messsysteme erfassen in jeder Wohnung den gesamten Strombezug viertelstündlich. Ein Zähler kann aber natürlich nicht erkennen, ob eine Kilowattstunde vom Dach oder aber aus dem Stromnetz in die Wohnung kommt. Um die jeweiligen Mengen für Solar- und Netzstrom zu bestimmen, wird ein Aufteilungsschlüssel für den erzeugten Solarstrom festgelegt.
Dieser kann statisch oder dynamisch sein. Statisch bedeutet, dass jedem Abnehmer des Solarstroms ein fixer Prozentsatz der erzeugten Strommenge zugewiesen wird. Bei dynamischer Aufteilung wird der Solarstrom je nach Verbrauch den einzelnen Wohnungen zugeordnet – wer zu bestimmten Zeiten mehr Bedarf hat, bekommt auch mehr. Bei dynamischer Aufteilung ist der Anteil des im Haus genutzten Solarstroms in der Regel höher als bei statischer Aufteilung und damit wirtschaftlich sinnvoller.
Der Aufteilungsschlüssel wird bei Inbetriebnahme dem Netzbetreiber mitgeteilt. Er errechnet anhand des Schlüssels und der Erzeugungs- und Einspeisedaten der PV-Anlage, wie viel Solarstrom in jeder Wohnung genutzt wurde. Die Differenz zum Messwert jedes Zählers ergibt den bezogenen Netzstrom. Die Verbrauchsdaten teilt der Netzbetreiber den Lieferanten für Netzstrom und dem Gebäudestromlieferanten mit, damit alle ihre Abrechnungen machen können. Noch sind die Netzbetreiber aber nicht in der Lage, diese Prozesse flächendeckend umzusetzen (Stand Frühling 2025). Daher gibt es bisher nur vereinzelt GGV-Anlagen in Deutschland.
Bei der Nutzung von Mieterstrom in Wohnungen können Haushalte ihren bisherigen Zähler behalten. Am Verknüpfungspunkt ist ein Summenzähler zu installieren, um den Reststrom fürs ganze Haus zu erfassen. Alternativ kann es ein virtueller Zähler sein – dann brauchen aber die Wohnungen intelligente Messsysteme. Bei der Messtechnik liegt ein Vorteil für Mieterstromkonzepte: Nur für den Summenzähler wird ein Stromliefervertrag mit Grundpreis und Arbeitspreis geschlossen; die teilnehmenden Wohnungen besitzen zwar auch einen Zähler, aber diese können als Unterzähler vom Mieterstromanbieter betrieben werden. Da die Haushalte keinen eigenen Liefervertrag für Reststrom haben, zahlen sie keinen zusätzlichen Grundpreis für Reststrom, so wie es Haushalte in der GGV müssen.
Wirtschaftlichkeit: Individuelle Prüfung notwendig, welches Modell sich stärker lohnt
Die GGV lohnt sich stärker, wenn weniger als zehn Parteien in einem Mehrfamilienhaus am Versorgungsmodell teilnehmen. Ab zehn teilnehmenden Wohnungen rechnet sich dagegen Mieterstrom besser, weil ein höherer Autarkiegrad in einem Gebäude erreicht werden kann – der Aufteilungsschlüssel bei der GGV spiegelt die tatsächliche Versorgung mit Solarstrom nicht gut genug wider. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme. Dafür kann ein Vermieter oder eine Wohnungseigentümergemeinschaft das Modell leichter ohne die Hilfe eines Dienstleisters umsetzen und so Kosten sparen.
Die Investitions- und Betriebskosten für die Anlage unterscheiden sich bei Mieterstrom und GGV nicht, aber hinsichtlich der Kosten für Abrechnung und Vertragsverwaltung. Hier weist die GGV geringere Kosten auf als ein Mieterstromprojekt. Dafür gibt es keinen Mieterstromzuschlag und die Kosten für Reststrom sind bei der GGV höher – aufgrund des eigenen Liefervertrag und dem enthaltenen Grundpreis. Welches Modell sich stärker lohnt, ist für jedes Haus individuell zu prüfen.
Wer eine PV-Anlage auf Mehrfamilienhäusern betreiben will, damit ihn die Bewohner im Haus nutzen können, hat zwei rechtliche Konzepte zur Wahl: Mieterstrom oder gemeinschaftliche Gebäudeversorgung (GGV). Die Umsetzung von Mieterstrom ist administrativ aufwändig. Weniger Vorschriften gibt es mit der GGV. Welches Konzept wirtschaftlicher ist, sollte aber individuell geprüft werden.