Fließt Strom aus Ihrer PV-Anlage ins öffentliche Netz, können Sie dafür die Einspeisevergütung beanspruchen – oder ihn selbst vermarkten. Dabei lassen sich höhere Erlöse erzielen, aber Sie haben auch zusätzliche Kosten zu tragen. Wann und wie sich die Direktvermarktung lohnt, beleuchtet dieser Artikel.
Betreiben Sie eine Photovoltaikanlage, dürfen Sie den erzeugten Strom ins öffentliche Netz speisen. Dieses Recht ist im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgeschrieben. Der Netzbetreiber muss den Strom abnehmen. Da ein Netzbetreiber kein Stromlieferant sein darf, verkauft er die elektrische Energie an der Strombörse.
Für den eingespeisten Strom sieht das EEG zwei Förderungen vor:
- Einspeisevergütung
- Marktprämie im Rahmen der geförderten Direktvermarktung
Als Betreiber einer PV-Anlage mit weniger als 100 Kilowatt Leistung haben Sie die Wahl zwischen beiden Förderungen. Ab 100 Kilowatt Leistung ist eine Förderung nur über die Marktprämie möglich.
Gemeinsam ist beiden Förderungen, dass Sie sie 20 volle Kalenderjahre und im Jahr der Inbetriebnahme der Anlage beanspruchen können. Welche Form der Förderung Sie wählen, teilen Sie dem Netzbetreiber mit. Sie können auch monatsweise von der Einspeisevergütung in die geförderte Direktvermarktung wechseln und umgekehrt.
In ihrer Höhe unterscheiden sich die beiden Vergütungsformen. Die Einspeisevergütung ist ein fester Betrag, den der Netzbetreiber für jede eingespeiste Kilowattstunde zahlt. Für Systeme, die 2023 die Arbeit aufnehmen, gibt es maximal 8,2 Cent, wenn Sie einen Teil Ihres Stroms selbst nutzen; bis zu 13 Cent sind es, wenn Sie den erzeugten Strom komplett ins Netz leiten. Die Einspeisevergütung ist für Systeme bis 10 Kilowatt Leistung am höchsten und fällt mit zunehmender Leistung ab.
Direktvermarktung von Solarstrom – sichere Mindesteinnahmen durch die Marktprämie
Beanspruchen Sie nicht die Einspeisevergütung, müssen Sie einen Abnehmer für den Strom suchen. Sogenannte Direktvermarkter bieten dafür ihre Dienste an. Sie teilen dem Netzbetreiber mit, dass Sie in die Direktvermarktung wechseln, und bringen Ihren Strom an die Börse. Liegt der Erlös unter einem bestimmten „anzulegenden Wert“, zahlt der Netzbetreiber die Differenz zu diesem Wert in Form der Marktprämie. Selbst wenn die Preise an der Strombörse niedrig sein sollten, können Sie so mit einem Mindesterlös rechnen. Aber es ist Luft nach oben: Übersteigt der Erlös den anzulegenden Wert, verdienen Sie entsprechend mehr. Der anzulegende Wert im Rahmen der Marktprämie ist 0,4 Cent pro Kilowattstunde höher als die Einspeisevergütung – für Eigenverbrauchs- wie Vollspeiseanlagen. 2023 beträgt er für kleine Eigenversorgungssysteme maximal 8,6 Cent, für Volleinspeiseanlagen 13,4 Cent pro Kilowattstunde.
Mit den 0,4 Cent mehr gegenüber der Einspeisevergütung sollen Sie die Kosten der Direktvermarktung bezahlen können. Zunächst ist – wenn noch nicht vorhanden – ein intelligentes Messsystem zu installieren, damit der Direktvermarkter aus der Ferne abrufen kann, wie viel Strom die PV-Anlage in jeder Viertelstunde ins Netz speist. Der Direktvermarkter muss das wissen, um die Strommengen sauber zu bilanzieren und auch abrechnen zu können. Das jährliche Entgelt für ein intelligentes Messsystem ist höher als bei einem einfachen digitalen Zähler. Für die Anbindung an den Direktvermarkter fällt in der Regel eine einmalige Einrichtungsgebühr an. Kontinuierlich entstehen Kosten durch die Vermarktung selbst, die zu bezahlen sind.
Höhere Erlöse notwendig, um Kosten der Direktvermarktung zu schultern
Bei kleinen PV-Anlagen reichten diese 0,4 Cent pro Kilowattstunde lange Zeit nicht, um die Kosten der Direktvermarktung zu begleichen, denn der Marktwert für Solarstrom war eher niedrig. Direktvermarkter boten Betreibern kleiner PV-Anlagen bis 2022 daher ihren Service gar nicht erst an – sie konzentrierten sich auf Anlagen ab 100 Kilowatt Leistung, deren Strom direkt vermarktet werden muss. 2022 aber kletterten die Preise an der Strombörse in noch nie dagewesene Höhen. Auch der Marktwert für Solarstrom, an dem sich die von den Direktvermarktern erzielten Erlöse orientieren, hob ab: Rund 40 Cent war eine Kilowattstunde im August 2022 wert – ein Rekord. Im Schnitt waren es im gesamten Jahr 20,8 Cent pro Kilowattstunde. In vielen Fällen ließ sich mehr Geld an der Strombörse verdienen als über die Einspeisevergütung. Dienstleister begannen, auch den Strom aus kleinerer PV-Anlagen zu vermarkten.
2023 gaben die Marktpreise zwar wieder nach, aber die Direktvermarktung kann sich weiterhin auch für kleinere Anlagen lohnen. Damit die laufenden Kosten beglichen werden und etwas Gewinn für Sie übrig bleibt, sollten die Erlöse am Markt 3 bis 4 Cent über der Einspeisevergütung liegen, heißt es vom Direktvermarkter Lumenaza. 2024 soll Solarstrom einen Marktwert von 12,7 Cent pro Kilowattstunde haben, prognostizieren die Analysten von Energy Brainpool im Oktober 2023. Sie erstellen regelmäßig den PPA-Preismonitor, der kostenlos auf der Internetseite des Unternehmens heruntergeladen werden kann. Über den Erlösrechner von Lumenaza können Sie sich anzeigen lassen, mit welchen Einnahmen Sie rechnen können, wenn Sie die Firma mit der Direktvermarktung betrauen.
Größerer Spielraum für Betreiber durch Batteriespeicher
Angenommen der Marktwert von 12,7 Cent bewahrheitet sich und eine Anlage hätte Anspruch auf 8,2 Cent Einspeisevergütung, wäre das Preis-Kriterium erfüllt. Es gibt aber auch ein Mengen-Kriterium, damit sich die einmaligen Ausgaben für Zählertausch und Einrichtungsgebühr zügig refinanzieren. Schon im ersten Jahr klappt das, wenn Sie 2024 mindestens 12.000 Kilowattstunden Strom ins Netz speisen. Grundsätzlich gilt: Je mehr Strom ins Netz fließt, desto stärker können Sie von der Direktvermarktung profitieren.
Wird Strom gezielt ins öffentliche Netz gespeist, lassen sich die Erlöse am Markt erhöhen. Denn die höchsten Strompreise bestehen in Deutschland in Stunden hoher Nachfrage – vor allem am Morgen und am Abend und damit in Zeiten, in denen kein oder nicht viel Solarstrom erzeugt wird. Mit einem Batteriespeicher können Sie die Preisunterschiede nutzen. Brauchen Sie den gesamten gespeicherten Strom nicht am Abend, können Sie abwägen, ob und wann Sie ins Netz speisen. Eines dürfen Sie mit einem Heimspeicher für Solarstrom aber nicht: Ihn über das öffentliche Stromnetz laden.
Nächste Stufe: Stromflüsse für maximale Ersparnisse und Erlöse steuern
Speicherhersteller haben das Potenzial erkannt und neue Geschäftsmodelle erkoren. Zum Beispiel Senec. 2016 kreierte die Firma die „Cloud“ – eingespeister Solarstrom wird am Markt verkauft und die Menge einem virtuellen Konto gutgeschrieben. Will der Kunde den Strom nutzen, kauft Senec Energie ein, liefert sie und verringert die gutgeschriebene Strommenge entsprechend. Die Firma ist damit Stromlieferant für die eigenen Speicherkunden geworden. Andere Unternehmen kopierten das Produkt.
2023 hat die Firma die Cloud für Neukunden verändert. Wer „Cloud pro“ wählt, bekommt ein Energiemanagementsystem installiert, das die Stromflüsse so steuert, dass wirtschaftlich das Optimum herausgeholt wird: Sind die Preise am Markt hoch, wird etwa Strom eingespeist und nicht der Speicher voll geladen. Befinden sich die Preise auf niedrigem Niveau, geht der Solarstrom in die Batterie, ins Auto oder erhitzt das Wasser im Pufferspeicher. Der eingespeiste Strom wird weiterhin direkt vermarktet. Dafür zahlt Senec einen festen Preis pro Kilowattstunde, der über der Vergütung mit Marktprämie liegt – der Kunde soll trotz allem mit fixen Erlösen rechnen können.
Ein ähnliches Konzept verfolgt der Stromlieferant Lichtblick, der PV-Anlagen mit Speicher, Wallbox und Wärmepumpe zur Installation anbietet. Mit einer zentralen Steuerungseinheit wird aus dem Prosumer – dem Konsumenten, der sich auch selbst mit Strom versorgt – ein Flexumer. Das ist ein Konsument, der flexibel Strom bezieht und einspeist. Die zentrale Steuerungseinheit kann auf die Preise an der Strombörse zugreifen, kennt den Ladezustand von Stromspeicher und Auto und sorgt für die Einspeisung von Strom zu möglichst lukrativen Zeiten. Damit der Haushalt auch flexibel Strom bezieht, braucht es einen dynamischen Stromtarif. In diesem ist der Strompreis nicht fest sondern verändert sich über den Tag entsprechend der Preise an der Strombörse. Solch einen variablen Stromtarif hat Lichtblick ebenfalls im Angebot. Liefert die PV-Anlage gerade keinen Strom, kann das Auto trotzdem günstig tanken, wenn der Ladevorgang in Stunden niedriger Preise gelegt wird, etwa nachts.
Werden alle Stromflüsse im Haus erfasst und mit den Preissignalen an der Börse verknüpft, lassen sich Stromkosten senken und Stromerlöse steigern. Wer den Rundum-Service eines Unternehmens wählt, diese Potenziale zu heben, hat es bequem. Sie können sich aber auch selbst kümmern: einen Direktvermarkter suchen, mit einem Lieferanten einen dynamischen Stromtarif schließen und einen Energiemanager Ihrer Wahl installieren lassen, der die Stromflüsse ins Netz und aus dem Netz steuert. Um zu wissen, welche Option finanziell am vorteilhaftesten ist, sind einmalige und laufende Kosten sowie eine Erlösprognose für den einzelnen Fall einzuholen.